Da standen wir also: Zwei etwas aufgedrehte 8-Jährige - vor dem mit Sprühfarbe und Eddingkritzeleien verschmierten Spielzeugautomat der Straße vom Stadtpark zum Bahnhof  unseres Heimatortes.

„Blau oder Grün? Welche Farbe wünschen wir uns?“

„Na, - Blau natürlich!“ – antwortete ich mit aufgekratzter Stimme.

Jonas nickte und steckte das Fünf­zig­pfen­nigstück in den von hunderten Münzen verkratzten und bereits verrosteten Münzschlitz. Der Automat ratterte, wir hielten uns an unseren Händen fest und starrten von Spannung vereist auf das Ausgabefach, aus dem unsere Wunderkugel gleich hervortreten würde.

Als das Geräusch einer fallenden Plastikkugel erklang, griff ich in das Fach und holte eine tatsächlich blau schimmernde Kapsel aus dem Fach. Wir lachten – denn schließlich hatte das Wünschen offenbar richtig gut funktioniert – und Jonas griff nach dem im Inneren der Plastikkapsel verborgenen Kinderring. Der für meine Begriffe damals schönste Ring, den ich je gesehen hatte. Mit beherztem Griff nahm Jonas meine Hand und stülpte den mit einem grünlich schimmernden Stern versehenen Ring über den Zeigefinger meiner linken Hand. „Also. Wenn wir groß sind, heiraten wir richtig. So mit Pferdekutsche und so. Und du darfst aussuchen, welche Farbe die Pferde haben sollen.“

Die Wärme seiner Hand auf meiner reisst mich aus meinen Tagträumen. Offenbar hatte das Gefühl von tiefer Verbundenheit und Vertrautheit gerade den Weg für ein Déjà-vu geebnet. Denn wenn ich mir den Mann, der es sich gerade neben mir im – zugegeben schon etwas in die Jahre gekommenen – Gartenstuhl gemütlich macht ansehe, weiss ich, dass sich schöne Geschichten wiederholen können. Dass das niedliche, verliebte Moment von damals nur ein zaghafter Wink für das war, was ich Jahre später in diesem Mann finden würde.

Für mich ist es immer noch ziemlich erstaunlich, wie gut die „Chemie“ zwischen uns stimmt. Wie bedingungslos wir uns aufeinander verlassen und auch einlassen können. Es fühlt sich fast so an, als gäbe es ein unsichtbares Band, das uns verbindet. Es ist über die Jahre hinweg immer fester geworden, hat die ein oder andere Färbung hinzugewonnen – ist gereift und gewachsen, wie jeder von uns selbst auch.

„Ich habe noch was für dich.“ sagt er und zieht eine kleine Schachtel aus seiner Jackentasche. Mir fährt es durch Mark und Bein. Soll das, was ich gerade in der Erinnerung erlebt habe, heute und mit diesem Mann wirklich wahr werden?