Beim letzten Mal hatten wir erfahren, dass nach altem hinduistischen Glauben die Diamanten Geschenke der Götter seien. Auch bei uns glaubte man bis in die Neuzeit hinein an die magische Kraft der harten Edelsteine: Sie müssten mehr als bloß optische Wirkung haben, sonst hätte Gott sie nicht geschaffen, schreibt Wolfgang Christoph Multzen in seinem Buch Der aufrichtige Juwelier von 1729. An eine direkte physikalische Wirkung glaubte er selbst allerdings nicht – wohl aber an eine moralische. Und in der Tat scheint es Zusammenhänge zu geben, die wir nicht ganz durchschauen: Idealerweise hat das Kristall des Diamanten nämlich die Form eines Oktaeders, eines regelmäßigen Körpers aus acht gleichseitigen Dreiecken, der zu den fünf Platonischen Körpern gehört. Und es kommt noch besser: Das Oktaeder ist der einzige dieser Körper, dessen Kanten sich mit einer durchgängigen Linie zeichnen lassen. Gleichzeitig ist die Acht das Symbol für Unendlichkeit. Kein Wunder, dass die alten Hinduisten nichts davon hielten, diese ideale Form durch spalten oder schleifen zu zerstören.

Die besondere Strahlkraft des Diamanten, oder sein „Feuer“ wie der Fachmann sagt, blieben so allerdings unter einer meist rauhen Oberfläche verborgen. Erst im Mittelalter fand man heraus, wie an dieses Feuer zu gelangen ist: Zwar ist der Diamant das mit Abstand härteste Naturmaterial, er ist aber nicht in jede Richtung gleich hart. Bringt man kleinste Diamantkörner auf einer Schleifscheibe auf, dann finden sich immer einige, die gerade härter sind als der zu schleifende Stein. Trotzdem ist die Diamantenschleiferei ein langwieriger und mühseliger Prozess: An dem 273,85 Karat schweren „Centenary“ wurde sage und schreibe drei Jahre gearbeitet.

Am besten bringt der Brillantschliff mit seinen mindestens 32 Facetten im Oberteil und mindestens 24 im Unterteil einen Diamanten zur Geltung. Durch die vielen Facetten wird das einfallende Licht fast vollständig reflektiert und der Stein scheint wirklich zu brennen. Dieser aufwändige Schliff war auch schon Herrn Multzen im frühen 18. Jahrhundert bekannt (und wurde also nicht erst um 1900 entwickelt, wie Wikipedia behauptet). Geschliffen werden die Diamanten durchweg von Hand, denn das Können und die Erfahrung einer guten Schleiferin oder eines Schleifers ist durch keine Maschine zu ersetzen. Manchmal findet man auch heute noch in Indien am Straßenrand alte Schleifer, die an ihrer Scheibe mit Fiedelbogenantrieb erstklassige Ergebnisse produzieren. Kaum zu glauben, aber wahr.

Im nächsten Beitrag schauen wir dann, wie die Farbe in manche Diamanten kommt.